Das pädagogische Konzept

Viele Kinder stehen heute in einem Spannungsfeld zwischen emotionaler Vernachlässigung und materieller Verwöhnung. Es kommt durch die veränderten Lebensbedingungen zu Bewegungsarmut, Reizüberflutung, Verlust an Lebenserfahrung und Lebenssinn. Schwerpunkt der Förderung der Kinder in der Natur liegt in der Schulung der Sinne, der Grob- und Feinmotorik, der Kreativität und Phantasie. Die Bewegung ist für die Entwicklung der Motorik, der Sprache und der intellektuellen Fähigkeiten von großer Bedeutung.

Alle Erlebnisse und Eindrücke, die die Kinder beschäftigen oder belasten, finden im Spiel ihren Ausdruck. Die Verarbeitung im Spiel trägt dazu bei, das innere Gleichgewicht wieder herzustellen. Dabei entwickelt sich die Sprachfähigkeit und das soziale Verhalten der Kinder durch die intensiven Kontakte und Absprachen. Die Kinder sind während des Spieles immer auf Entdeckungsreise. Hierzu bieten angeleitete Angebote, sowie das Freispiel Möglichkeiten, selbst die Naturmaterialien und deren Beschaffenheit zu begreifen, sie einzusetzen und mit ihnen eigene Ideen zu entwickeln. Hier stehen den Kinder Zeit und Raum für ihre Phantasien zur Verfügung, die sie begeistert ausleben. Es entstanden schon Zwergenwohnungen, Kaufläden, Restaurants,… Schnellstens verwandelten sich Kastanien, Blätter, Eicheln, Stöckchen usw. in Obst, Gemüse, Würstchen und Käse. Das Indianerzelt wurde mit Heu ausgelegt, das die Kinder mit dem Bollerwagen von der nahegelegnen Wiese gesammelt hatten…

Glaube mir, du wirst mehr in den Wäldern finden, als in Büchern. Bäume und Sträucher werden dich lehren, was kein Lehrmeister dir zu hören gibt.
– Bernhard von Clairvaux

Die Kinder finden oft Tiere, wie Käfer, Regenwürmer und Schmetterlinge, die sie beobachten… Auch tote Tiere, wie z.B. ein Mauswiesel, werden interessiert bestaunt. Neugierig werden Einzelheiten über Lebensweise, Futter und Wohnung des Tieres erfragt und natürlich ist es auch wichtig, warum dieses Tier gestorben ist und wer es auffrisst, wenn es liegen gelassen wird. Der Tod wird somit als wichtiger und natürlicher Bestandteil des Lebenskreislaufs erlebt und ist nicht abschreckend oder ekelig.

Wir erfahren unmittelbar die Natur und die Jahreszeiten. Der Wald bietet uns eine Fülle von Bildern, Geräuschen, Gerüchen, Berührungs- und Bewegungsempfindungen. Er ist uns vertraut und die Kinder lernen ihn zu schätzen und zu schützen. Bei unseren Wanderungen haben wir leider auch Müll gefunden, den wir einsammeln und richtig entsorgen. Das ist praktizierter Umweltschutz!

Im Freispiel erfahren die Kinder sich selbst; sie entwickeln optimal ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten, die auf der Grundlage eines natürlichen Freiraums, den ja der Wald anbietet, basieren. Der natürliche Bewegungsdrang kann hier ausgelebt werden, manchmal wird die eigene Grenze und Belastbarkeit ausprobiert: Wie lange kann ich an dem Ast hängen? Oder: Wie hoch kann ich klettern?

Hier gibt es keine elektronischen Spielzeuge oder vorgefertigte Spielwaren. Die Kinder spielen mit den Naturmaterialien, sowie mit verschiedenen Dingen, die wir (auf Wunsch der Kinder) auslegen. Hierzu zählen: Becherlupen, Sägen, Hämmer, Nägel, Wolle, Seile, Tücher, Scheren, Bestimmungsbücher… – Wir sind der Meinung, dass weniger oft mehr ist. Bei der Benutzung der wenigen Werkzeuge müssen sich alle Kinder absprechen und teilen, was sie mit einer natürlichen Selbstverständlichkeit tun.

Immer wieder beobachten wir, dass die Kinder sehr freundschaftlich und rücksichtsvoll miteinander umgehen, Gegebenheiten besprechen und zunehmend Lösungen aushandeln. Ebenso hat der behutsame Umgang mit Tieren und Pflanzen einen hohen Stellenwert.

Es ist sehr schön, mit welcher Freude die Kinder die Zeit im Wald verbringen. Wir erreichen unser Ziel und nach dem Morgenkreis sind sie schon beschäftigt! Sie kochen gleich eine Suppe in einem abgesägten Baumstamm, belegen Brötchen, machen Salat, bauen Wege, sammeln Totholz oder Äste, die dann als Besen, Besteck oder Malstift benutzt werden. Manche Kinder suchen sich einen Spazierstock und gehen mit ihren Rucksäcken auf eine „Wanderschaft“ (natürlich bleiben sie in Sichtweite!) oder arbeiten in einem Sägewerk bzw. Baustelle oder wohnen zwischen den Ästen eines umgefallenen Baumes, der heute als Wohnung, morgen als Piratenschiff und übermorgen als Flugzeug genutzt wird.

Während der Freispielphase stehen wir den Kindern auch als Spielpartnerinnen zur Verfügung. Manchmal nehmen wir uns ganz bewusst zurück und beobachten die Kinder bei ihrem Tun. Es macht uns sehr große Freude, sie so glücklich spielen zu sehen, und wir staunen immer wieder aufs Neue, wie groß die Phantasie und Kreativität der Kinder ist.

Wir beobachten, dass die Kinder an angeleiteten Angeboten sehr konzentriert und ausgeglichen teilnehmen. Ihre Kreativität und Phantasie wird auch hier in großem Maße umgesetzt. Wir registrieren im Morgenkreis, im Freispiel oder aus Unterhaltungen der Kinder ihre Bedürfnisse und Wünsche und greifen diese in Angeboten auf. Auch Situationen aus dem Alltag können im Wald verarbeitet werden.

Die geplanten Angebote finden bei den Kindern großen Anklang. Sie freuen sich und können kaum erwarten bis es richtig losgeht. Ein Beispiel hierfür ist das Malen im Wald. Wenn die Farben, Pinsel und Wasser auf dem Waldboden ausgebreitet sind, möchten alle mitmachen! Wenn die Kinder malen, dann malen sie! Dabei sind sie hochkonzentriert. Malen und sonst nichts zählt in diesem Moment!

Warum nicht eine Schaukel errichten? Oder einen Blumenstrauß, -kranz aus abgeschnittenen Gräsern flechten? Oder einen schönen Kastanienstern auf den Boden legen und dabei so viele Strahlen wie Kinder entstehen lassen? Selbst Steine, Zweige, Fichtenzapfen sammeln und diese im Wald bemalen – ist das möglich?

Warum nicht einen Laternenumzug im Wald durchführen und zum Schluss gibt es Tee und Brezeln für alle? Unbedingt zu erwähnen ist unser selbstgemachter Obstsalat: Die Kinder schnitten die Früchte mit Obstmessern, verteilten aus einer großen Schüssel den köstlichen Salat und aßen ihn schließlich begeistert auf! – Geht so etwas im Wald? – All diese Fragen können wir nur mit JA beantworten.

In dem Freiraum, in dem wir arbeiten, entwickeln sich ungehemmt Kontakte zwischen den Kindern und uns. Die Sprache ist dabei nur eine Form der Kommunikation, denn auch die Körpersprache wie Mimik und Gestik werden eingesetzt.

Auch Selbstbesinnung, z.B. allein in der Sonne liegen und die Ruhe genießen ist möglich und wünschenswert, denn ganz bewusst gibt es laute und leise Zeiten im Tagesablauf, denn Stille ist in unserer hektischen konsumbeherrschten Welt etwas Fremdes und für viele Menschen bedrohlich und muss daher oftmals als etwas Angenehmes erlernt werden.

Der Aufenthalt im Wald fördert außerdem in besonderer Weise die Gemeinschaft von Mädchen und Jungen, weil sich in dieser Umgebung die Rollenklischees auflösen. Beide Geschlechter tragen die gleiche „waldfeste“ Kleidung. Mädchen machen ebenso wie Jungen zielgerichtete Erfahrungen, wenn sie z.B. einen Baum übersteigen oder einen Zapfenweitwurf veranstalten.